Warum Aufforstung mehr ist als nur Bäume pflanzen

16. April 2021|In Indonesien, News, Uganda
frisch gepflanzter Setzling auf kahler Fläche

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Wiederaufforstung kann uns dabei helfen, zwei globale Krisen auf einmal zu bewältigen. Zum einen trägt sie dazu bei, degradierte Lebensräume wiederherzustellen und die bestehende Biodiversität zu schützen. Zum anderen ist sie auch eines der effektivsten Instrumente, um das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Doch Aufforstung darf kein “Selbstzweck” sein. Deshalb verfolgt Fairventures einen ganzheitlichen Ansatz, der neben ökologischen auch soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt und die lokale Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Denn wir glauben, Aufforstung ist mehr als „nur“ Bäume pflanzen.

Naturwälder auf der ganzen Welt befinden sich in der Krise. Allein in Indonesien sind zwischen 2015 und 2019 rund 4,4 Millionen Hektar Land verloren gegangen. Das ist eine Fläche von mehr als 6 Millionen Fußballfeldern. Auf Borneo leiden die Wälder unter dem Abbau von Kohle und anderen Rohstoffen, fallen illegaler (und legaler!) Abholzung zum Opfer, oder werden in großflächige Palmölplantagen umgewandelt. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Biodiversität vor Ort: Pflanzen und Tiere im indonesischen Wald, darunter der Borneo-Orang-Utan, sind vom Aussterben bedroht, weil ihr Lebensraum zerstört oder stark verändert wird. Und auch die Menschen vor Ort sind von den Entwicklungen betroffen:

Ungefähr 20 Autominuten entfernt vom indonesischen Dorf Tumbang Malahoi befindet sich eines unserer Aufforstungsprojekte. Weit weg von dem Trubel der hektischen Provinzhauptstadt Palangka Raya sind die Menschen hier darauf angewiesen, mit dem zu leben, was die Natur ihnen bietet. Lachende Kinder planschen im Fluss, der im subtropischen Klima Borneos eine willkommene Abkühlung darstellt. Leider spiegelt die fröhliche Stimmung nicht den Zustand des Wassers wider.  Der Abfluss von Düngemitteln und das Betreiben illegaler Goldminen beeinträchtigen die Wasserqualität – im gesamten Einzugsgebiet des Kahayan-Flusses stehen trübe und verschmutzte Gewässer symptomatisch für die Folgen des menschengemachten Klimawandels.

breiter brauner Fluss fließt durch kleine Siedlung im Grünen

In städtischen Gebieten, in denen die Bewohner rund um die Uhr auf sauberes Trinkwasser zurückgreifen können, stellt diese Verschmutzung kein größeres Problem dar. Doch auch hier führen uns heftige Überschwemmungen die Konsequenzen unseres Umgangs mit der Natur vor Augen. Werden Bäume in Flussnähe abgeholzt, beschädigt das die Wassereinzugsgebiete und sorgt dafür, dass stromabwärts gelegene Gebiete stärker überschwemmungsgefährdet sind. Die Entwicklungen, die wir vor Ort in Borneo beobachten können, zeigen uns, dass wir Menschen in dieser Erzählung sowohl Subjekt als auch Objekt sind. Die Auswirkungen unseres Handelns sind bereits deutlich zu spüren – in manchen Regionen der Welt mehr als in anderen.

Die gute Nachricht ist: Wir können diese Entwicklungen aufhalten und umkehren. Zwar gibt es keine einfache Lösung für die Klimakrise. Forschungen zeigen jedoch, dass naturbasierte Lösungen am effektivsten sind, um den Klimawandel zu bekämpfen. Eine Studie der ETH Zürich legt nahe, dass genügend geeignetes Land zur Verfügung steht, um ein Drittel der Wälder der Welt wiederherzustellen. Das wären mehr als eine Billion zusätzlicher Bäume, 250.000 mal so viele wie heute im Schwarzwald stehen. Diesen Bemühungen muss jedoch ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde liegen. Die Bevölkerung vor Ort muss in den Prozess miteinbezogen werden und von ihm profitieren  können – und genau hier kehren wir zurück in den Wald von Borneo.

Farmer demonstriert etwas an einer Wurzel während einer Farmer Field School

Wer hat bessere Kenntnisse über den Wald, wer eine stärkere historische und kulturelle Bindung zu ihm als die Menschen vor Ort? Trotzdem liegt nur ein Achtel des weltweiten Waldbestandes in den Händen lokaler Gemeinden. Bei Fairventures greifen wir diese Problematik auf, indem wir lokale Kleinbäuerinnen und Kleinbauern befähigen, eine Schlüsselrolle bei der Aufforstung des Regenwaldes einzunehmen. Ziel ist es, den lokalen Gemeinden gesetzliche Rechte an den Wäldern zu übertragen und sie in die komplette Wertschöpfungskette einzubinden. Diese beginnt mit der Vermittlung nachhaltiger Agroforstpraktiken in unseren “Farmer Field Schools”, in denen die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern lernen, eigenständig Bäume und Zwischenfrüchte zu pflanzen und zu pflegen.

Doch hier hört unsere Arbeit nicht auf. Neben der ökologischen Perspektive zielt der ganzheitliche Ansatz von Fairventures auch darauf ab, einen langfristigen und positiven sozialen Einfluss zu leisten. Dazu gehört auch die Identifikation neuer, nachhaltiger Wertschöpfungsketten. Indonesien zählt zu den größten Holzproduzenten der Welt. Indem unsere schnellwachsenden Bäume dazu genutzt werden, die hohe Marktnachfrage zu decken, können wir die bestehenden Naturwälder entlasten und als Heimat für eine vielfältige Flora und Fauna erhalten. Darüber hinaus darf auch die ökonomische Dimension nicht außer Acht gelassen werden. Durch den Anbau und Vertrieb der Leichthölzer und Zwischenfrüchte können Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ein nachhaltiges Einkommen generieren. Fairventures unterstützt sie dabei, einen Zugang zum richtigen Markt zu finden und einen fairen Preis für ihre Produkte zu erzielen.

gestapeltes Sengon-Holz

Genauso wie die Probleme, mit denen wir uns als Menschheit konfrontiert sehen, komplex und vielseitig sind, so müssen auch für ihre Lösungen alle relevanten Faktoren in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden. Deshalb verfolgen wir bei Fairventures auch weiterhin diesen ganzheitlichen Ansatz. Nur so kann Aufforstung eine angemessene Lösung für die doppelte Herausforderung von Klimawandel und Biodiversitätsverlust werden.