Good forests as Climate Solutions: Wie speichern Regenwälder langfristig CO2?
„Gebäude und der Bausektor sind zusammen für 40% der totalen direkten und indirekten CO2 Emissionen verantwortlich“.
(Global Status Report for Buildings and Construction, 2019)
Diese Zahl zitiert der renommierte Klimafolgenforscher Hans-Joachim Schellnhuber – Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung – vor der Architektenkammer Baden-Württemberg im Dezember 2020.
Ganz nüchtern und explizit weist er darauf hin, dass die Nutzung von Beton und Stahl im Bausektor eine katastrophale, gar nicht-zukunftsfähige Klimabilanz vorzuweisen hat. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass bei der Herstellung von Stahl und Zement Unmengen an CO2 als Zusatzprodukt freigesetzt werden. Er folgert schließlich, dass es nur eine sinnvolle Zukunftsvision für den Bausektor gibt: „Gebäude als globale Kohlenstoffsenke“, Gebäude aus Holz.
“Kohlenstoffsenke” ist ein Begriff, der Ökosysteme und menschengemachte Konstruktionen beschreibt, die CO2 aufnehmen können. Dazu gehören die Weltmeere, die globalen Waldflächen und die landwirtschaftlichen Ackerböden. Bei dem Ziel, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu senken, geht es bereits seit langer Zeit darum, die sog. Senkenleistung natürlicher Senken zu erhöhen, sodass mehr CO2 effizient, langfristig und sozial verträglich gebunden werden kann. Und genau diesen Mechanismus spiegelt die neue Mission von Fairventures Worldwide wider: „Good Forests as Climate Solution“ – gute Wälder als Klimalösung. Anders gesagt: Fairventures Worldwide ist keine schlichte Wiederaufforstungsorganisation. Fairventures ist eine Organisation, die durch Wiederaufforstung brachliegender Flächen die naturbasierte Senkenleistung des Ökosystems Wald (tropischer Regenwald) und der resultierenden Holzprodukte erhöht und somit Ökosysteme schafft, die mehr CO2 absorbieren und letztlich der Erderwärmung entgegenwirken. Doch wie funktioniert diese Senkenleistung im Wald?
‚Wälder sind die Lungen der Erde‘, das weiß jeder. Doch wieso? Zunächst liegt es daran, dass Bäume – mithilfe von Sonnenlicht und Kohlendioxid – Photosynthese betreiben. Um zu wachsen und gut zu gedeihen, brauchen sie also, neben ausreichend Nährstoffen und Wasser, Sonnenlicht und Kohlendioxid. Im Prozess der Photosynthese spaltet der Baum den Sauerstoff vom Kohlenstoff ab. Den Kohlenstoff behält er und baut damit die robuste Biomasse: Sein Wurzelwerk, den Stamm, die Rinde, die Äste und die Blätter. Den Sauerstoff schenkt er der Welt zum Atmen. Das ist – vereinfacht – der natürliche Kohlenstoffkreislauf des Ökosystem Wald und der Grund, weshalb Bäume und Wälder Weltmeister im Absorbieren von atmosphärischem CO2 sind. Es ist ebenfalls der Grund, weshalb wir bei Fairventures so überzeugt von der naturnahen Klimalösung „Wiederaufforstung“ sind.
Aber damit ist es uns bei Fairventures nicht genug. Wir wollen nämlich den Erkenntnissen von Hans-Joachim Schellnhuber und vielen anderen Klimaforscherinnen und Klimaforscher folgen und die Senkenleistung des Waldes mit dem Bausektor verknüpfen. Deshalb haben wir bei Fairventures einen längerfristigen Ansatz ausgearbeitet, der die Senkenleistung des Rohstoffs Holz voll und ganz ausschöpft. Die untenstehende Grafik stellt diese vielschichtige Senkenleistung dar: Die erste Senkenleistung findet direkt auf der Anbaufläche statt. Die Bäume absorbieren das atmosphärische CO2 durch Photosynthese, und speichern den Kohlenstoff in ihrer Biomasse (sowohl unter- (BGB) als auch überirdisch (AGB)) und setzen den Sauerstoff wieder frei. Die zweite Senkenleistung entsteht, nachdem die Bäume auf Fairventures Anbaugebieten geerntet werden. Je nach Baumart und lokalem Klima geschieht dauert ein Erntezyklus 7-10 Jahre. Der Baum wird geerntet und in der Holzindustrie verarbeitet. Hier ist die erste Station das Sägewerk. Zu diesem Zeitpunkt sind die Wurzeln bereits abgetrennt; nun folgen die Rinde, Äste und Blätter. Im Fachjargon spricht man von „Biomass conversion factor“ oder schlicht „loss factor“, um zu beschreiben wie viel Biomasse vom Baum im Prozess der Holzverarbeitung verloren geht. Unserem Modell zufolge sind das bis zu 55% der Biomasse. Diese wird oftmals als Brennholz eingesetzt oder als Gründüngung auf neuen Flächen genutzt. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit die Biomassereste in Biokohle umzuwandeln. Biokohle wird eingesetzt, um die Fruchtbarkeit intensiv bewirtschafteter Böden zu erhöhen. Hierzu wird ein Pyrolyseverfahren angewandt, bei dem große Teile des Restholz verschwelt und so in die Böden als Dünger zurückgeführt werden können. Somit ist der positive Effekt zweiteilig: Einerseits fungiert die Biokohle als Anreicherung der Böden (und ersetzt ggf industriellen Dünger), andererseits bindet die Biokohle weiterhin Kohlenstoff aus den Biomassereste und stärkt somit sie die Senkenfuntion der Holzindustrie.
Nichtsdestotrotz entstehen durch diese Biomassereste unvermeidbare Emissionen. Gleichzeitig steckt hinter der Holzverarbeitung eine Industrie, die aktuell noch größtenteils auf fossile Brennstoffträger setzt. Diese Emissionen müssen bei der Berechnung berücksichtigt werden. Übrig bleibt die Senkenleistung des fertig verarbeiteten Produkts wie z.B. Bretter, Balken, oder Furniere. Diese beiden Senkenleistungen sind aktive Reduktionen des CO2-Gehalts in der Atmosphäre. Es ist die direkte Folge der Absorption von Kohlendioxid und dessen langfristige Speicherung in der Biomasse von Bäumen und den daraus gefertigten Holzprodukten. Die letzte Einsparung hat einen anderen Charakter. Sie beschreibt keine aktive Bindung des atmosphärischen CO2 (d.h. Sequestration), sondern eine indirekte Emissionsminderung bzw. eine Verhinderung weiterer Emissionen. Im Fachjargon beschreibt diese Leistung einen Substitutionseffekt, nämlich die verhinderten Emissionen, wenn man als Baumaterial im Gebäudesektor nicht länger Stahl und Beton nutzt, sondern das geerntete Holz verbaut. Das Holz, welches nun in langlebigen Häusern eingelagert werden kann, dient nicht nur als langfristige Kohlenstoffsenke, sondern verhindert zugleich, dass weitere Emissionen durch die Nutzung energieintensiver Rohstoffe entstehen. Wie wir sehen, ist dieser Substitutionseffekt signifikant und kein ein zentraler Baustein von ambitionierten Klimaschutzstrategien darstellen.
Die obige Grafik stammt aus unseren eigenen Berechnungsmodellen. Die unterste Ebene repräsentiert den Kohlenstoff der in unseren Plantagen gebunden ist. Die mittlere Ebene stellt den Kohlenstoff dar, der in Holzprodukten und im Totholz gebunden ist. Die oberste Ebene beschreibt die Vermeidung der Emissionen, die theoretisch entstünden, wenn der anschließende Bau nicht mit Holz, sondern mit Stahl und Zement durchgeführt worden wäre.
Wie sich unsere Kohlenstoffsenken in Zukunft entwickeln werden, hängt von einer Vielzahl Faktoren ab. Werden wir genügend Kapital aufbringen können, um den erneuerbaren Rohstoff Holz prominent im Bausektor zu verankern? Werden wir gegen eine altgewachsene Lobby aus dem Stahl und Betonbau, sowie der Industrie der fossilen Brennstoffträger ambitionierten politischen Willen mobilisieren können? Werden wir als Gesellschaft einen kultur-ästhetischen Wandel im Sinne einer ökologisch sinnvollen und sozial verträglichen Architektur anstoßen und akzeptieren, der Holz als zukunftsfähiges Baumaterial anerkennt und fördert – ja sogar zelebriert?